ZICKZACK | ||
Mach den Mund auf Mach den Mund zu (Eins, zwei) (Eins, zwei) Mach den Mund auf Mach den Mund zu (Eins, zwei) (Eins, zwei) Mund auf Mund zu (Eins, zwei) (Eins, zwei) (Drei) Bau mir ein Haus. Bau mir ein Grab. Schieb mir Torte ins Gesicht. Bau mir ein Haus. Bau mir ein Haus tief in die Erde hinein. Mach es 106 oder 123 Stockwerke tief. Da ist etwas in mir, das sich sehnt nach Mondlandschaften und Kratereinschlägen. Da ist etwas in mir, das sich sehnt nach Pappmaschee. Mach es tief unten. Mach es bequem und gemütlich. Mach es als hätte es seit Jahrzehnten niemand mehr betreten. Mit Wohnzimmern und Teppich in manchen Etagen. Bau mir ein Haus. Bau es spiralförmig nach unten. Ich bin wie voller Fernweh. Da ist ein weit entfernter Ort, tief unten, den ich erreichen will. Manchmal ist es wie eine Sucht. Manchmal ist es eine Sucht, nach unten zu kommen. Ich bin voller Fernweh dahin und nach fahlem Licht. Bau mir ein Haus. Grab mir ein Haus in die Erde. Stell alles dort rein, was zu mir gehört. Die Familie in meinen Haaren, dein Pilz, von dem ich voll bin. Bau mir eine Abwärtsspirale. Lass mich tiefer nach unten gelangen. Langsam. Langsam. Langsam. Etage 1: Bau mir ein Haus. Mach eine Nebenhöhle in die Wand. Lass es pochen unter den Wänden. Mach Lärm, der in mir furchterregende Kopfschmerzen auslöst. Mach es wie einen Mund. Lass Zähne aus den Wänden wachsen. Nichts wächst mit solcher Vehemenz wie meine Zähne. Da beult etwas die Wand aus. Ich bin jedes mal zu Tode erschrocken, wenn so etwas passiert. Da bewegen sich Dinge hinter der Wand. Ich bin wie gelähmt, ich bin wie steif, ich kann mich vor Angst nicht bewegen, wenn so etwas passiert. Etage 2: Bau mir ein Grab. Halte deine Wut nie zurück. Schlag mir mit voller Wucht die Zähne aus. Es blutet im Mund und an den Lippen. Schau voller Panik auf das, was du angerichtet hast. Sammle die Zähne ein und steck sie vorbehaltlich zurück ins Zahnfleisch. Es tut weh. Die Zähne finden keinen Halt und fallen wieder aus. Steck sie zurück ins Zahnfleisch. Befestige sie mit Tesafilm. Etage 3: Schieb mir Torte ins Gesicht. Mach mir Klebstoff ins Gesicht. Mach mir Leim ins Gesicht. Nimm Binden und verpacke meinen Kopf wie eine Mumie. Ich will das alles nicht mehr sehen können. Lass mich umherstolpern wie eine Mumie. Mach mich bandagiert und einbalsamiert. Ich will furchterregend aussehen wie eine Mumie. Ich will furchterregend durch mein Leben stolpern wie eine Mumie. Bau mir ein Haus. Lass mich durch deine Wohnung tanzen. Gib mir Extra-Licht von deiner Taschenlampe. pussy pussy pussy pussy pussy. Lass mich an deinen Vorhängen hochklettern. Lass Korken durch deine Wohnung knallen. Champagner über mich. Champagner über mich. Bau mir ein Haus. Lass mich über deinen Tisch tanzen. Lass mich Gläser und Geschirr zerstören wie ich gerade Lust und Laune habe. Deine Taschenlampe gibt mir Extralicht. Deine Scheinwerfer lassen mich glitzern wie der Star auf einem roten Teppich. pink pink pink pink pink. Da ist rote Pussy auf deinem Teppich. Lass mich rote Haare von deinem Teppich lecken. Bau mir ein Haus. Fixiere mich halbnackt. Entblöße mich nackt. Bring mich dazu, mich ultimativ nackt zu fühlen. Ich bin der erste unter deiner Aufsicht. Ich bin der einzige, der über deinen Tisch tanzt. pussy pussy pussy pussy pussy. Lass mich rote Pussy von deinem Teppich lecken. Bau mir ein Haus. Lass mich Champagner quer durch den Raum schießen wie der Star eines Formel 1 Rennens. Feuere mich an, wenn ich versuche Pussy zu küssen. Meine Haut schmeckt wie Erdbeere. Dein Boden schmeckt wie Plastik. Dein Teppich wächst bis an den Wänden entlang wie ekliger Pilz. Lass mich rekeln in deinem Teppich wie Fisch in Anemone. Oh Epirotiki! Griechischer Halbgott, wir sind wie im Krieg. Meine Stadt ist zerstört. Dein Kriegsturm steht vor meinen Mauern. BITCH - Spritz mir ab ins Gesicht. BITCH - Schlag mir die Zähne aus BITCH - Räum das Revier, räum das Revier. RED - Lass mich rote Pussy von deinem Teppich lecken. PUSSY PUSSY PUSSY PUSSY PUSSY RED RAT RED RAT RED 5, sex, storm Oh Epirotiki, griechischer Halbgott! Wir sind wie im Krieg. Schick all deine Soldaten. Schick all deine Soldaten gegen mich. Start = 0. Mal mir eine weiße Linie an die Decke. Lass alles kollabieren und die Linie mich küssen. Lass mich Beton küssen. Lass mich Asphalt küssen. Stell mir die Beine und lass meinen Kopf gegen den Boden knallen. Stopp das Universum und lass Merkur auf die Erde stürzen. Ich mag Wind. Ich mag Sturm. Start = 0. Mach den Planeten brutal in mein Gesicht. Dieser fremdartige Planet - lass ihn in mein Gesicht stürzen. Start = 0. Nimm Pappmaschee. Nimm Pappmaschee in mein Gesicht. 7 Dinge in mein Gesicht: Kuchen in mein Gesicht. Regen Regen Regen in mein Gesicht. Die weiße Linie in mein Gesicht. Pappmaschee in mein Gesicht. Merkur in mein Gesicht. Beton in mein Gesicht. Torte in mein Gesicht und meinen Hals hinunter. Du machst es gut. Du machst Krug. Krug mit kleinem beigen Rand und großem grauen Rand eingepresst in Mauer. Klagemauer hin und her. Hin und her. Du machst gut. Ich schlucke. Du machst Dinge in mein Gesicht. Und du hörst niemals auf damit. Etage 15: Bau mir ein Haus. Bau mir eine Heizung. Bau mir eine Heizung wie in alten Gebäuden. Da sind Vögel im Heizkörper. Nachts, wenn alles still ist, kann ich sie hören. Da sind Vögel drin. Sie machen Geräusche und zwitschern. Wie Vögel. Lass mich mein Ohr gegen den Heizkörper halten, selbst wenn es verbrennt. Lass mich den Vögeln zuhören, sie zwitschern so schön. Etage 16: Bau mir ein Grab. Bau mir ein Fach für meine Angelausrüstung. Da sind bunte Plastikkästen, die verstaubt sind. Da sind Maden drin. Bau mir ein Schreibtischfach für meine Angelausrüstung. Dieser alte Holzschreibtisch, lass ihn mich mit meinem Vater und meinem Opa durch den Wald, durch das Dickicht schleppen. Mit Bäumen so hoch, dass die Spitzen nicht mehr zu sehen sind, der Waldboden voller totem Holz. Und alles bedeckt mit einer glitschigen Schicht aus Regen. Etage 17: Schieb mir Torte ins Gesicht. Reiß meinen Mund auf, selbst wenn ich mich wehre. Schüttle Protein für mich. Mach orangenes Plastik wie Eiweiß in mein Gesicht und in den Raum zwischen Mund und Nase. Schieb es in mich rein. Stopf es in mich rein. Schieb Fish in mich herein. Lass ihn zählen: 1, 2, 3, 4. Niemand anderes küsst so wie Fish. ...und bevor ich's vergesse: Kresse in die Fresse! mmm. du bist immer noch der starke Mann an meiner Seite mmm. du bist immer noch mein Fliegender Holländer mmm. du bist immer noch Sand in meinen Händen mmm. du bist immer noch... ...ganz, ganz nahe bei mir. Etage 23: Bau mir ein Haus. Mach ein totes Restaurant. Bau mir zehn oder fünfzehn runde Tische ein. Lass zwei Serviermädchen dort arbeiten. Lass sie im Halbschatten stehen und warten, den ganzen Tag lang. Lass sie tuscheln, lass sie mit vorgehaltener Hand über mich reden, mir egal. Lass sie Stoffservietten falten, rosa und hellblau. Lass sie jeden morgen, jeden Nachmittag die Tische dekorieren. Es wird niemand zu Besuch kommen, es wird niemals jemand zu Besuch kommen. Etage 24: Bau mir ein Grab. Bau mir eine Küche in einen Nebenraum. Lass es gut riechen, wenn gekocht wird. Lass mich niemals in den Raum. Riegel ihn ab für mich. Lass mich nachts an die Tür hämmern, lass mich meine Fäuste gegen die Küchentür werfen, lass mich nie hinein. Lass mich zusammenbrechen, lass mich meine Fingernägel an der Tür entlang ziehen, lass mich nie hinein. Etage 25: Schieb mir Torte ins Gesicht. Mach Stellen auf dem Boden, wo der Boden feucht ist. Mach es schimmelig. Mach fast kleine Pfützen rein. Da wächst Pilz von dir. Da wächst Pilz von dir an den Wänden entlang. Ich lecke Pilz vom Boden, weil ich so hungrig bin. pussy. Ich quetsche Haare an den Wurzeln. Ein Krebs bewegt sich glücklich über das Gras. Er ist glücklich, weil er die Spur eines kleineren Krebses aufgenommen hat, den er gleich verputzen wird. Der kleine Krebs - nicht mit dem Hauch einer Chance. Am besten schält er sich nackt. Am Nachbarstisch schält und würfelt eine Familie grüne Äpfel. pussy. Ich werfe meinen Kopf zurück bis er abfällt. Die obere Hälfte ist ab, der Unterkiefer steht noch. Der Unterkiefer redet und redet, redet und redet. Meine Angelausrüstung verstaubt in bunten Baumarktkästen. Maden machen ätzende Geräusche. Ich quetsche Haare an den Wurzeln. RED RED RED RED RED - Verbirg deine Wut nicht. Wirf mir deine Wut entgegen. Lass mich wie in Panik vor die fliehen. Lass mich in Panik durch das Haus rennen. Wirf Konservendosen gegen mich, wenn ich keinen Fluchtweg mehr habe. Wirf sie gegen meine nackte Haut und voller Wucht. Ich kann auf die Schnelle nicht fliehen, wenn die Konservendosen, die du wirfst, meinen Körper treffen. Ich werde versuchen auszuweichen, ich werde versuchen, die Konservendosen mit meinen Händen abzuwehren. Lass mich vor Panik an deinen Vorhängen hochklettern. Lass mich da hochklettern auf der verzweifelten Suche nach einem Versteck. Die Vorhänge werden unter meinem Gewicht zusammenbrechen. Lass mich trotzdem an deinen Vorhängen hochklettern. Von Panik besessen. Oh Hitler! Fick mich durch die Tür. Fick mich in den Raum. Fick mich gedankenlos. Fick mich in die Wand. Fick uns ins Desaster. Fick mich in den Himmel. Fick mich bis ins All. Fick mir das Gehirn raus. Fick mich durchs Haus. Fick mich in Stücke. Meine Scham für all die Fehler, die ich begangen habe, ist größer als jedes Vertrauen. Deck es ab. Bitte! Meine Scham für jedes mal, wo ich zu viel gegeben habe, macht mich schwindelig. Fick mich. Bitte! Fick mich, fick mich, fick mich. Oh Hitler! 4 graue Schornsteine vor einem grobkörnigen Himmel. Nicht die Asche über deinem Bergwerk. Oh Hitler! Mach Arbeit, mach Arbeit. a) Ich kann dich fast in deinem Büro sehen. Ich kann fast deine verstaubten Aktenordner sehen. Alphabetisch angeordnet. A bis S. T bis Z. A bis S. T bis Z. a) Du piercet mir meinen rechten Flügel. Du zeichnest Entwürfe auf den Tisch. Bau mir ein Haus. Bau mir ein Grab. Nichts ist besser. Besser als nichts. a) auf dem Finger b) c) durch den Finger wie eine Nadel und zum Mund. d) ich taumle. Kannst du dir das vorstellen? d) ich taumle. a) Ich bin fast wie ein ausgestopfter Vogel auf deinem Regal. Mal mir Skizzen. Mal mir Entwürfe. Du bist fast schwarz-weiß von hier oben aus betrachtet. a) auf meinem Flügel b) c) durch meinen Flügel wie eine Nadel und zum Mund. d) ich taumle. Ganz im ernst. d) ich taumle. a) Ich kann fast die Frequenz deiner Stimme sehen. Du bist wie ein Computer. Du machst den Mund auf und redest und redest, redest und redest. Da ist eine weiße Zickzack-Linie in deinem Mund. Die Linie zittert mit der Frequenz deiner Stimme. Dein Teppich wächst an den Wänden entlang. Du bist fast wie ein Computer. <Adler>, <Falken>, <Amseln>, <Fliegen> - ich will fliegen über den Canyon zwischen deinem Regal und deinem Schreibtisch. Rede weiter. Rede weiter. <Adler>, <Falken>, <Amseln>, <Fliegen> - lass mich meine alten Flügel spreizen und zu dir fliegen. Es ist immer der Zwischenraum, der Canyon, der mich fasziniert. <Adler>, <Falken>, <Amseln>, <Fliegen> - ich fliege in deinen Mund hinein. Ich habe ein Rendez-vous mit der weißen Zickzack-Linie in deinem Mund. <Adler>, <Falken>, <Amseln>, <Fliegen> - ich liege dir auf deiner Zunge. Ich schlafe auf deiner Zunge Du bewegst dich wie ein Insekt. Ich fliege schlangenlinie. Ich fliege kamikaze. Ich bin wie gelähmt. Die Linie in deinem Mund bewegt sich zickzack. Meine Welt leuchtet weiß, wenn sie mich trifft. Meine Welt bleibt schwarz, wenn nicht. Die Linie in deinem Mund zittert mit jeder Silbe, die du redest. Meine Welt leuchtet weiß, wenn sie mich trifft. Meine Welt bleibt schwarz, wenn nicht. <Adler>, <Falken>, <Amseln>, <Fliegen> - ich schmecke fast wie Wolle auf deiner Zunge Etage 39: Bau mir ein Haus: Da sind fast wie zwei Arme von hinter der Tür zur Vorratskammer. Es wiegt fast. ES WIEGT FAST... genausoviel. Da sind fast wie zwei Spinnfäden von hinter der Tür. Es wiegt fast. ES WIEGT FAST... doppeltsoviel. Da sind fast wie zwei Auswüchse von hinter der Tür. Es wiegt fast. ES WIEGT FAST... dreifachsoviel... wie eine Waage. Etage 40: Bau mir ein Grab. Bau mir ein Wohnzimmer. Zieh mich an den Haaren über den Teppich. Zieh mich über den Boden. Vor den Augen meiner Familie. Die stehen da rum, deplatziert bis zum Gehtnichtmehr. Beeil dich zu tragen für 7, 8, 9. Trage Null, Sieben, Fünfzehn an der Zahl. Etage 41: Schieb mir Torte ins Gesicht. Lass mich dein Deutschland sein. Lass mich dir den roten Teppich ausrollen. Starte den Wagen. Fahr über jedes Schlagloch. Mein Kopf wird brummen wie unter dem lautesten Geräusch. Larven verstecken sich unter dem Leder des Beifahrersitzes. Meine Zähne bluten. Halte den Wagen an bei einer abgelegenen Parkbucht. Lass nur ein paar Straßenscheinwerfer unsere Zeugen sein. Mach meine Tür auf. Lass meinen Körper halb aus dem Wagen heraushängen. Nimm Klebeband und arretiere meinen Kopf am offenen Türrahmen. Schlag die Tür zu. Eins, zwei. Schlag die Tür zu. Eins, zwei. Mit voller Wucht gegen meinen Kopf und in mein Gesicht. Zerr mich heraus aus dem Wagen. Mein Kopf brummt nur noch wie unter Sirenen. Lass mich auf der Straße liegen. Steig in den Wagen ein und überfahre mich vorwärts. Mit der Vorderachse, mit der Hinterachse. Dann stoße zurück und überfahre mich rückwärts. Steig nochmals aus, um nach mir zu schauen. Lass mich dort liegen. Starte den Motor und roll mit der Vorderachse noch mal über mich. Lass es beim letzten mal egal sein, ob du mich mit den Hinterrädern triffst. Etage 56: Bau mir ein Haus. Benutz alles Pappmaschee, das du besitzt. Schmeiß es gegen die Wände. Nimm Tapetenkleister und mach noch mehr Pappmaschee. Ich brauche das an den Wänden. Es soll aussehen wie Mondlandschaften, es soll aussehen als wären Meteoriten eingeschlagen im Keller. Und das fahle Licht. Mach mir fahles Licht wie auf dem Mond. Es sieht aus wie in einem Sarg. Lass mich eines Tages hinabklettern. Tiefer, tiefer, tiefer. Etage 57: Bau mir ein Grab. Grau die Wendeltreppe ab nach Etage 58. Staub die Wendeltreppe nach Etage 58. Mach es entlang. Ein kleines Haus im Haus. Eine kleine Abwärtsspirale in der Abwärtsspirale. Nur zum Spaß. Etage 58: Schieb mir Torte ins Gesicht. Stell meine Familie dort irgendwo rein. Die stehen da noch immer rum deplaziert bis zum Gehtnichtmehr. Und Jesus auch. Oder so ähnlich. Die stehen da rum und starren gegen die Wände. Ich bin voller Pilz von dir. Spritz ab in mein Gesicht. Reiß meinen Mund auf. Reiß mir den Unterkiefer ab. Füll mich auf, füll mich auf mit dir. Deutschland / Das ist mein Haus: Jemand ist ruiniert fällt und versehentlich aus dem Fenster. Er wird gefangen von einem Netz. Deutschland / Das ist mein Haus: Ein Seiltänzer balanciert auf einem Seil und rutscht ab. Er wird gefangen von einem Netz. Deutschland / Das ist mein Haus: Eine Straßenbahn fährt durch die Stadt. Sie wird an einem Netz entlang geführt wie ein Hund an der Leine. Das ist mein Haus. Deutschland: Zeichne mir ein Kästchen. Lass mich ankreuzen: Sag JA! zu Identität. Zeichne mir ein Kästchen. Lass mich ankreuzen: Sag JA! zum Tod. Zeichne mir ein Kästchen. Lass mich ankreuzen: Sag JA! zum Untergang. Deutschland: Da fahren dann tief unten ICEs durch die Schlucht. Das sind ICEs, die durch spiralförmige Tunnel fahren. Spiralförmig nach oben, dann geradeaus und wieder spiralförmig nach unten. Immer so weiter. Immer so weiter in diesem Muster. Spiralen nach oben, Spiralen nach unten. In einer Geschwindigkeit, dass allen Passagiern schlecht wird. Das sind dann besondere ICEs. Das sind ICEs, die früher einmal Achterbahnen waren. Die haben Achterbahnen aus aller Herren Länder gekauft, die für jeden Freizeitpark der Welt viel zu gefährlich wären. Die haben Achterbahnen gekauft, wo selbst Disneyland sagen würde: "Nein, danke". Die haben sich Achterbahnen besorgt wie sie eigentlich keinem Menschen zuzumuten wären. Dann haben sie die Schilder "Achterbahn" abgemacht und durch neue Schilder "ICE" ersetzt. Das sind die ICEs in der Schlucht dort unten. Die fahren wie verrückt durch Tunnel, und ein jeder Passagier hat Angst um sein Leben. Da stehen die Leute dann an in ihrem ICE, um im vorderen Teil des Zuges die Gebetskabinen zu erreichen. Da stehen die Leute an und wollen beten aus purer Todesangst. In der rechten Kabine wollen sie beten zu Gott, in der linken wollen sie beten zu Allah: "Allahallahallahallah". Und rechts: "Gottgottgottgott". Deutschland: Da biegen dann Straßenbahnen in dunkle Gassen ab. Immer am Stromnetz entlang, immer auf dem Schienennetz entlang. Und die Straßenbahnen haben dann im Volksmund Namen wie Clementine, Gerlinde oder Mathilda - das "fleißige Clementinchen" beispielsweise. Ja, das fleißige Clementinchen fährt durch Dresden, das ist die dunkelste Stadt Deutschlands. Und es fährt und fährt durch die düstersten Gassen. Und es hält nur an den vorgesehenen Straßenbahnstationen. Es fährt vorbei an zerbombten Gebäuden, an ruinierten Hoffnungen. Dresden - da erklimmen Straßenbahnen die Hügel der Stadt. Das "fleißige Clementinchen" muss beispielsweise Steigungen überwinden, für die es technisch gar nicht geschaffen ist. Und es fährt und fährt den Hügel nach oben. Dresden, das ist die dunkelste Stadt Deutschlands. Hier tragen selbst die Straßenbahnen die Reichsfarben Schwarz-weiß-rot. Hier gibt es kein so richtiges Entkommen. Selbst wenn man die Straßenbahn nimmt, um aus der Stadt mit den vielen Ruinen heraus den Hügel hoch in irgendeinen Vorort zu fahren. Deutschland: Da nehme ich dann also eine der Straßenbahnen in die Vororte Dresdens. Mit nichts außer dem Gekrakel auf meiner linken Hand: "Lerchenweg 9". Eine Straßenbahn auf die Hügel und in die Vororte Dresdens. Diese hohlen Gebäude hier ruinieren alles, was nicht zerstört und grau ist. Mädchen - wirf deine Hände zum Winken von hinter dem Türrahmen. Alte Frau - stell halb-verwelkte Blumen auf das Fensterbrett. Kriegskrüppel - roll den roten Teppich aus. Ruinen mit Fenstern so hohl wie die Augenhöhlen eines Skeletts. Und eine Frau ohne Arme, ohne Kopf, mit nur noch einem Bein. Und Blumen zwischen den Beinen. Als ob sie sagen würde "Willst Du mal an meiner Pussy lecken?", als ob sie fordernd blicken würde "komm her und leck rote Pussy". Roll den roten Teppich aus, ja, Deutschland, das ist mein Haus. Denke ich so. Und dann steigt da eine komische, alte Frau zu mir in die Straßenbahn. Und sie setzt sich zu mir, ist wohl froh, jemanden gefunden zu haben, der ihr zuhört. Und sie setzt sich neben mich und fragt mich Dinge. Sie fragt mich: "Wo willst Du hin, junger Mann? Wo willst Du hin?" Und sie kommt dabei ganz dicht an mich heran, so dass ich ihren Atem spüren kann. "Wo-willst-Du-hin?" Und sie spuckt jedes Wort einzeln nach mir. Ich antworte ihr, "ich möchte zum Lerchenweg". Und die Alte überlegt, und es sieht so aus, als würde sie den Linienplan der Straßenbahn im Kopf durchgehen. "Lerchenweg? Das ist in fünf Stationen. Das ist die letzte Station vor Hitlers Stollen. Verstehst Du? Stehe rechtzeitig auf, sonst verpasst Du die Haltestelle. Das ist die letzte Station vor Hitlers Stollen!". Dann hält sie endlich Ruhe. Und die alte Straßenbahn ruckelt weiter. Vorbei an Industriegebieten. Vorbei an pilzförmigen Sirenen, die überall auf den Fabrikhallen angebracht sind. Vorbei an einem Feld, wo Arbeiter mit Detektoren den Boden absuchen. Vorbei an einer Schlucht. Über eine Brücke über die Schlucht. Vorbei an einem ICE-Zug, der am Rande der Schlucht in einen Tunnel fährt. Sich wie ein Wurm spiralförmig in die Erde bohrt. Mit Kurven von 1040 Grad nach unten und wieder nach oben. Wie eine Achterbahn. "Das ist Deutschland." Die Alte schreit fast als ob sie taub wäre. "Das ist Deutschland, junger Mann. Verstehst Du? D-E-U-T-S-C-H-L-A-N-D." Und sie spuckt jeden Buchstaben einzeln nach mir. Und ihr Kopf zeigt auf das Innere der Straßenbahn. "Siehst Du?" Ich schaue also auf die Straßenbahn. Alles eingerichtet in den Reichsfarben Schwarz-weiß-rot. Und Gold wie Girlanden von den Fenstern. Oh Gott, Deutschland, ja. Da sind wir uns einig. Deutschland in seiner düstersten Periode. Die Alte lächelt mich an, als ob sie mich auffordern wollte, etwas zu unternehmen. Ich singe vor mich hin: "lalala", möglichst aggressiv, damit sie mich wieder in Ruhe lässt. Aber sie wird stattdessen hellwach und schaut mich erwartungsfroh an. Ich drehe meinen Kopf zu ihr und singe so laut ich kann "lalala", direkt in ihr Gesicht. Die Alte ist hellwach, wie ein kleines, penetrantes Kind. Und sie deutet mit ihrem Kopf auf die deutschen Farben. Ich fühle mich gedrängt etwas zu unternehmen. Ich krame in meiner Hosentasche herum und finde einen grünen Edding. Endlich habe ich eine Idee. Die Alte lächelt noch immer auffordernd. Ich stehe auf und öffne den Stift. In der Straßenbahn gibt es überall schwarze, weiße und rote Streifen an den Wänden - wie gemacht für Kritzeleien. Ich male also einen fünfeckigen Stern an die Wand. Ich male diesen Stern auf einen weißen Streifen, der sich zwischen einem schwarzen und einem roten Streifen befindet. Die Alte schaut neugierig zu. Ich male einen zweiten grünen Stern direkt daneben. Anschließend grenze ich ein Rechteck ab - ein Rechteck, in dem sich nun ein schwarzer und ein roter Balken befindet und dazwischen ein weißer Balken mit zwei grünen Sternen. Es sieht aus wie die Flagge vom Jemen. Die Alte begreift und fängt an zu lachen. Also mache ich gleich weiter. Ich grenze ein neues Rechteck ab. Diesmal male ich einen einzigen fünfzackigen Stern auf einen weißen Balken, der sich zwischen einem schwarzen und einen roten Balken befindet. Es sieht aus wie Flagge von Ägypten. Dann wiederhole ich das ganze mit drei Sternen. Es sieht aus wie die Fahne vom Irak. Die Alte pisst sich weg vor Lachen. Sie lacht und lacht, als ob ich hier eine Clowns-Nummer abziehe. Ich mache weiter: Ich male ein grünes Rechteck neben ein rotes und ein schwarzes Rechteck. Die Flagge von Afghanistan. Dann ein arabischer Schriftzug auf weißem Untergrund. Die Flagge von Saudi-Arabien mit umgedrehten Farben. Dann ein Halbmond und ein Stern, das ist Pakistan. Ein grünes Trapez mit einem schwarzen, weißen und roten Streifen, das ist Kuwait. Die Alte schnappt nach Luft, so sehr muss sie lachen. Und sie fällt dabei fast vom Sitz. "Ich... ich...", dann pisst sie sich wieder weg. Ich nehme also meinen Edding, unterschreibe die Kritzeleien mit meinem Namen und gehe zu der Alten, die mir offenbar etwas sagen will. "Ich... ich...", ich würde ihr am liebsten eins in die Fresse schlagen, damit sie wieder zu sich kommt. "Ich... Ich.. Ich bin Dein Zeuge, junger Mann. Du brauchst einen Zeugen." Dann wieder Lachen. "Du brauchst einen Zeugen, junger Mann. Und ich bin Dein bester Zeuge. Ich bin alt und krank. Die werden die Wahrheit aus meinem Munde nicht verdrehen können." Sie spuckt jeden Atemzug einzeln nach mir. "Ich bin viel zu alt um zu lügen. Ich werde die Wahrheit sagen. Ich werde alles sagen. Ich werde Dein Zeuge sein, hab keine Angst!" Dann schaut sie wieder auf meine Flaggen mitten in der Straßenbahn, dann auf meine Unterschrift. Der nächste Lachanfall beginnt. Sie keucht und ächzt nach Luft. Dann wird sie plötzlich ganz hektisch - als ob sie mir etwas wichtiges mitzuteilen hat. "Das ist... Das ist..." Und sie spuckt jeden ihrer Zähne einzeln nach mir. "Das ist die letzte Station vor Hitlers Stollen, junger Mann. Schnell. Steig aus!" Sie deutet mit ihrem Kopf auf den Ausgang. Die Straßenbahn hält an, ich steige aus. Lerchenweg. Ich muss zum Lerchenweg. Die Alte ruft mir noch hinterher bis die Straßenbahn in einer Gasse um die Ecke verschwunden ist. "Ich werde Dein Zeuge sein. Darauf kannst Du dich verlassen." Deutschland: Da werden Hausnummern überall anders verteilt. Da fängt mal die Nummerierung am einen Ende der Straße mit der 1 an. Das gegenüberliegende Haus bekommt dann die 2,das Nachbarshaus von der 1 bekommt die 3, und so geht es weiter. Und ein anderes mal werden die Nummern ganz anders verteilt. Da fängt es mit der 1 an, dann bekommt das Nachbarshaus die 2, und so geht es weiter bis zum Straßenende. Dann wird die Straßenseite gewechselt und die Nummerierung auf der anderen Seite geht weiter in entgegengesetzter Richtung. Das gegenüberliegende Haus der 1 hat dann die höchste Hausnummer der Straße. Und manchmal werden die Hausnummern nach noch komplizierteren Mustern vergeben. Deutschland: Da tappe ich dann durch die halbdunklen Straßen von Dresdens Vororten. Eine Station entfernt von Hitlers Stollen. Es ist schon Dämmerung und ich stolpere durch den Lerchenweg. Hausnummer 9 ist mein Ziel, doch in der Dunkelheit kann ich kaum Hausnummern ausfindig machen. Da sehe ich irgendwann die 7 und denke, das Nachbarshaus müsste die 9 sein. Also klingle ich dort. Erstmal erscheint niemand, ich klingle also noch einmal. Plötzlich geht ein Licht im Hauseingang an und ein alter Mann kommt wütend ans Gartentor geschritten. "Was weckst du mich aus meinem Schlaf? Was willst Du, junger Mann?" Ich stammele also: "Ist dies nicht die Hausnummer 9? Tut mir leid, dass ich Sie aus Ihrem Schlaf erweckt habe." Der Alte bellt mich immer noch an: "Nummer 9? Nein, siehst du denn nicht?" Sein Kopf zeigt in die Richtung seines Hauses. Im Licht des Eingangs ist nun deutlich eine 3 zu sehen. "Das ist die Nummer 3. Lerchenweg Nummer 3. Du hast Dich geirrt." Die mussten die Straßennummern in dieser Straße also nach einem ganz komischen Muster vergeben haben. Ich blicke den Alten also verwirrt an. Der bellt wie ein Hund. Dann wird er etwas versöhnlicher. Er tritt ganz nahe an mich heran und bellt jetzt in leiserem Ton: "Ziehe fort von hier, junger Mann. Ziehe fort." Sein Kopf zeigt in Richtung des Horizonts. "Siehst Du den Rauch dort? Es ist der Rauch über dem Bergwerk. Ziehe fort von hier. Hier ist nur Sumpf." Der Alte wirkt jetzt beruhigt. Dann geht er zurück zur Haustür - als ob er mir sein Geheimnis verraten hätte und damit seine Arbeit erledigt wäre. Ich stolpere also weiter durch den Lerchenweg. Nicht ganz im Zickzack-Kurs, die Ecken etwas abgeflacht, eher in Schlangenlinien-Form. Tippe Stunden, ich bin nur Vulkanasche. Nicht die Rauchsäule über dem Berg. Werg. Schlüpfe Stunden, ich bin nur Vulkanasche. Nicht die Rauchsäule über dem Berk. Werk. Zick zack Wie das Ticken einer Uhr: Zick Zack Etage 74: Bau mir ein Haus. Bohr mir mein Haus. Du bist leer. Ich brauche mich angepasst. Du bist leer. Ich brauche mich nutzlos, versiert. Bohr bis mir der Kopf platzt vor Lärm Etage 75: Bau mir ein Grab. Bau mir ein Grab aus Metallwolle. Möbel aus hellem Holz warten mit weitgeöffneten Türen. Möbel aus hellbeigem Holz warten mit weit ausgestreckten Armen. Aufs Sonnenlicht. Es wird niemals kommen hier unten. Etage 76: Schieb mir Torte ins Gesicht. Putz es runter. Ruinier mich. Und das gelbe Blitzlicht eines Fotoapparats aus den Reihen der Reporter, das wie zufällig den Eingang zu Hitlers Stollen trifft. Das gelbe Blitzlicht, das sich durch den Eingang in Hitlers Stollen gräbt - tiefer und tiefer. Der gelbe Lichtblitz, der sich an jeder Verzweigung, an jeder Verästelung Hitlers Stollens teilt und selbst in die dunkelsten Seitengänge hervordringt. Dieses gelbe Licht, das mit Lichtgeschwindigkeit vorbeirast an den größenwahnsinnigen Expansionsplänen über ganz Europa, an den menschenverachtenden Experimenten im Namen der Medizin, an den alptraumhaftesten Gräueltaten in den Konzentrationslagern, an dem unglaublichen Leid in den Gaskammern und allem anderen. Dieses gelbe Licht, das vorbeizieht an Notfallkommandozentralen, eingerichtet mit aus damaliger Sicht modernster Technik, an medizinischen Versorgungsstationen, an Bunker voller Nahrungsmittel und allem anderem. Dieser grelle, gelbe Blitz, der vor keiner Wahrheit halt macht und nichts im Dunkeln lässt. Und für einen Moment, nur für einen kleinen, kurzen Moment ist alles hell erleuchtet. Und niemand kann mehr sagen, er hätte von nichts gewusst. Oh Hitler, ich traue mich fast nicht, es zu sagen. Ich bringe diesen albernen Satz fast nicht über meine Lippen. Es klingt pathetisch aus meinem Munde, aber: Ja, ich will den totalen Krieg. Zeichne mir ein Kästchen. Lass mich ankreuzen: Sag JA! zum totalen Krieg. Ich will mit Haut und Haaren untergehen. Ich will Gewissen, Mitleid und Rationalität zerstört wissen. Ich will dich in mich eindringen spüren. Ich will dich mich überwältigen spüren. Ich will jeden Funken von Anstand verlieren. Ich will in Ungnade fallen. Ich will jeden Moment am Abhang genießen, so nackt wie man sich nur fühlen kann. Ich will befreit sein von jedem Schwindelgefühlt. Ich will mich voll und ganz der Lust hingeben, die ich empfinde, wenn ich falle. Ich will mich sehnen nach dem härtesten Aufprall. Ich will die totale Zerstörung. Ich will ertrinken in deinem Sog. Ich will geöffnet, nackt sein. Ich will kein Versteck mehr wissen. Ich will, ich will, ich will... Ja, es ist mein purer Ernst. Meine Augen sind so weit geöffnet wie es nur geht. Ich will den totalen Krieg. Zick Zack Zick Zack Merkur, dieser fremdartige Planet dort oben. Mit seiner rot, silbernen Oberfläche eher wie ein Metallklumpen, der durchs All fliegt. Einsam seine Runden um die Sonne dreht. Auf was wartet ein Planet? Darauf einen Mond einzufangen? Darauf, dass er von der Schwerkraft eines anderen Objekts weit ins All hinausgeschleudert wird? Darauf, dass er von den Gezeitenkräfte der Sonne in Stücke zerrissen wird? Darauf, dass er in einer Kollision zerberstet? Merkur, dieser fremdartige Planet dort oben. Wenn du nur für einen Moment lang die Zeit anhalten und Gravitation ausschalten könntest. Wenn du nur Merkur in eine andere Bahn lenken könntest. Direkt in mein Gesicht. SHAMDI MAHMED SEBALODH SHISHAM VASHDI ANATHEODH Kommt alle her zum Nachruf! Bau mir ein Haus. Bau mir ein Grab. Schieb mir Torte ins Gesicht. www.thisship.com |